NAHE, EHRLICH, BEWUSST
Ein Bericht in der Bündner Woche (Ausgabe 16. Feb. 2022) von Laura Natter
Der Käse auf dem Frühstücksbuffet von der Alp. Das Gemüse im Viergangmenü vom Landwirt aus dem Dorf. Das Brot zur Suppe vom Bäcker nebenan. Regionalität und Saisonalität werden derzeit im Privaten, aber auch in der Gastronomie und Hotellerie grossgeschrieben. Ein Label, das sich schon seit über 20 Jahren der Regionalität und Saisonalität, ja vielmehr der ganzen Bandbreite der Nachhaltigkeit in der Beherbergungsbranche verschrieben hat, ist «ibex fairstay» aus Maienfeld. Das ehemalige Steinbocklabel zertifiziert Betriebe, welche die fünf Dimensionen der Nachhaltigkeit leben. Doch dazu später mehr.
Wie Geschäftsführerin Anita Gschwind erzählt, wurde das Label 1998 aus einem einfachen Grund gegründet: «Der Metzger, der Bäcker und der Käser aus Davos haben sich gefragt, warum auf den Frühstücksbuffets in den Hotels italienischer Salami, Edamer- und Emmentalerkäse angeboten wird, anstatt Produkte aus der Region. Der Grundgedanke dahinter war, die Wertschöpfung vermehrt zurück in die Region zu holen.» Also haben sich Gewerblerinnen und Gewerbler, Produzentinnen und Produzenten sowie Hoteliers zusammengetan, mit dem Ziel, Graubünden nachhaltig mit allen Sinnen für den Gast erlebbar zu machen. Daraus entstand das Steinbocklabel, heute «ibex fairstay». «Für die Hotellerie ist das Label ein Tool, um den eigenen Betrieb zu überprüfen, um das Team zu sensibilisieren und im Betrieb Nachhaltigkeit erlebbar zu machen. Es geht hier wirklich um die Nachhaltigkeit innerhalb des Betriebs und weniger um eine Marketingstrategie», sagt Anita Gschwind.
Nachhaltigkeit in der Hotellerie. Was bedeutet dies nun konkret? «ibex fairstay» baut auf den Grundpfeilern der Nachhaltigkeit, der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit auf. Hinzu kommen die Dimensionen Management und Regionalität (siehe Boxen). «Unser Label tragen 0- bis 5-Sterne-Hotels, fast 70 Betriebe von 300 m. ü. M. bis 1850 m. ü. M., von drei Mitarbeitenden bis 100 Mitarbeitenden. Die ganze Palette, und das funktioniert», so Anita Gschwind. Nachhaltigkeit kann in kleinen und grossen Betrieben gelebt werden. Grosse Hotels hätten den Vorteil, eine Verantwortliche, einen Verantwortlichen für Nachhaltigkeitsthemen einsetzen zu können. Für die Umsetzung der Ideen sei es wertvoll, mit Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Abteilungen und Kaderstufen ein Nachhaltigkeitsteam zu bilden, so die Geschäftsführerin. «In einem Klein- oder Familienbetrieb kann alleine die Einstellung der Geschäftsführung viel bewirken, weil sie mit den Mitarbeitenden und den Gästen in engem Kontakt steht», so Anita Gschwind. Die grösste Herausforderung in allen Betrieben sei die Sensibilisierung der Mitarbeitenden. «Es müssen nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ganze Nachhaltigkeitsstrategie des Hotels kennen. Doch die Reinigungskraft sollte wissen, warum sie nur noch stosslüften soll, warum ohne chemische Reinigungsmittel geputzt wird oder warum die Frotteetücher nur noch auf Wunsch des Gastes gewechselt werden. Sie muss dies gegenüber dem Gast kommunizieren und vertreten können.» Die junge Generation der Mitarbeitenden sei jedoch sowieso grundsätzlich interessiert daran, in nachhaltig ausgerichteten Betrieben zu arbeiten. Das zeigten Spontanbewerbungen in von «ibex fairstay» ausgezeichneten Hotels, ergänzt die Geschäftsführerin.
Nachhaltigkeit und Gästekomfort. Geht das zusammen? Ja, findet Anita Gschwind. Einerseits deshalb, weil Massnahmen zu mehr Nachhaltigkeit im Hintergrund getroffen werden können. So, dass die Gäste nicht eingeschränkt werden. «Natürlich soll ein Gast nicht nur noch fünf Minuten duschen dürfen, um Wasser zu sparen. Aber das Hotel kann Wassersparköpfe installieren und damit viel bewirken», so die Geschäftsführerin. Andererseits hat in der Bevölkerung und damit auch bei Gästen ein Umdenken stattgefunden. Nachhaltigkeit liegt vielen Gästen am Herzen. Vermehrt bekommt Anita Gschwind die Rückmeldung von Hotelbetrieben, dass gezielt nach der Nachhaltigkeitsstrategie des Hotels gefragt wird. «Gerade die soziale Nachhaltigkeit, also der Umgang mit Mitarbeitenden, hat an Bedeutung gewonnen.» Zudem, so stellt es Anita Gschwind fest, ist der Luxus von heute nicht mehr Kaviar und Hummer, sondern das Einfache, Achtsame. Weniger ist mehr, sogar in der Luxushotellerie. Einfach eingerichtete Zimmer mit Materialien aus der Region zählen heute mehr als Prunk. Eine gute, ehrliche Begegnung ist mehr Wert als ein oberflächlicher Austausch. «Heute wollen die Gäste etwas erleben», ergänzt Anita Gschwind. Der Besuch beim Landwirt, der das Fleisch oder Gemüse liefert, gehört ebenso zum Gästeerlebnis wie ein Kochkurs mit regionalen Produkten. Es geht darum, Nahe bei den Menschen zu sein. Nahe am Ort, der Region, nahe an der Tradition und Kultur. Erleben, bewusst und mit allen Sinnen.
Die fünf Dimensionen von ibex fairstay
1. Dimension: Management
Nachhaltigkeit muss im Management bewusst verankert sein. Die internen Strukturen und Prozesse werden entsprechend angepasst: Mitarbeiterführung, interne Organisation, Controlling, Gästeorientierung und Innovation.
2. Dimension: Ökologie
Der sorgfältige Umgang mit Ressourcen ist zentral. Deshalb wird bei Energie, Wasser, Abfall, Einkauf, Einrichtung und Umgebung auf Umweltverträglichkeit und Einsparmöglichkeiten geachtet.
3. Dimension: Regionalität
Das Hotelangebot ist authentisch und hat einen engen Bezug zur Region und deren Bevölkerung, zu Kultur und Landschaft. Die Wertschöpfung soll möglichst in der Region bleiben und diese stärken. So können Arbeitsplätze geschaffen werden, Transportwege verringert und die Begeisterung für regionale Spezialitäten und Besonderheiten gefördert werden.
Gäste und Mitarbeitende sollen sich wohlfühlen. Es wird darauf geachtet, dass die Rahmenbedingungen für alle stimmig sind: Berücksichtigung der Gästewünsche, faire und fördernde Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende, Einbezug der Lieferanten, Einklang mit der Bevölkerung, Barrierefreiheit.
Nur ein wirtschaftlich gesunder Betrieb kann nachhaltig arbeiten und Arbeitsplätze sichern. Deshalb wird das Augenmerk auf Ertrag, Performance, Kostenkontrolle, Investitionen, Risk-Management sowie auf die Gäste- und Mitarbeiterzufriedenheit gelegt.
Bericht Bündner Woche, Seite 1
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