Eine neue Studie der EHL zeigt, dass nachhaltiges Verhalten von Touristen im Gastgewerbe je nach Gruppe unterschiedlich interpretiert wird. Für die Branche bedeutet das, nachhaltige Angebote gezielt an die Bedürfnisse der Gäste anzupassen. Die Studie definiert sieben unterschiedliche Segmentgruppen und stellt die jeweilige Interpretation von Nachhaltigkeit vor.
Nachhaltiger Konsum in Hotellerie und Gastronomie gewinnt an Bedeutung – doch was bedeutet „nachhaltig“ für die verschiedenen Touristen und ihre Bedürfnisse? Eine aktuelle Studie der EHL, verfasst von Prof. Dr. Matthias Fuchs und Dr. Valentina Clergue untersucht umweltbewusste Handlungen von Gästen im Tourismus, wie den Kauf lokaler Produkte, die Wiederverwendung von Handtüchern oder die Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Die Ergebnisse zeigen: Nachhaltiges Verbraucherverhalten ist vielseitig und hängt stark von der jeweiligen Verbrauchergruppe ab.
Die Herausforderung für die Branche besteht darin, nachhaltige Angebote so zu gestalten, dass sie den Vorstellungen und Werten der Gäste entsprechen. Nur wenn Tourismus- und Gastgewerbeunternehmen die Bedürfnisse ihrer Kunden verstehen, können sie wirksam zum Umweltschutz beitragen und gleichzeitig die Zufriedenheit ihrer Gäste steigern. Die Studie liefert daher wertvolle Erkenntnisse für Beherbergungsbetriebe, die ihre Dienstleistungen umweltfreundlicher gestalten und gleichzeitig die Erwartungen der Gäste erfüllen möchten.
Im Rahmen der Studie wurden folgende sieben Segmente definiert:
1. Regionalitätsorientierte grüne Touristen
Grösse: 23% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit bedeutet, in die lokale Kultur einzutauchen“.
Durchschnittliches Alter: 36 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunftsländer: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Regionalitätsorientierte grüne Touristen legen Wert auf die Unterstützung und den Erhalt lokaler Gemeinschaften und der Kultur und setzen sich dafür ein, dass das Gastgewerbe nachhaltige Optionen anbietet und einen Aufpreis verlangt. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für Akteure, die auf Regionalität ausgerichtete Angebote vermarkten.
„Nachhaltigkeit in der Reise- und Tourismusbranche bedeutet für mich, bei den Gästen ein Bewusstsein für die Umwelt sowie für die lokalen Kulturen und Traditionen zu schaffen. … Es bedeutet auch, die Einnahmen, die ausschliesslich aus dem Reise- und Tourismussektor stammen, gerecht zu verteilen und Angebote zu schaffen, die die lokale Bevölkerung unterstützen.“
2. Opportunistische nicht-grüne Touristen
Grösse: 22% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit ist schön, aber nicht so wichtig. Ich mache es nur, wenn es einfach, angenehm und bezahlbar ist.“
Durchschnittliches Alter: 48 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: kommen eher aus Deutschland.
Diese Touristen sind nicht sonderlich begeistert oder aufgeregt über Nachhaltigkeit, da sie sich nicht sonderlich für das Thema interessieren. Wenn jedoch ein nachhaltiges Angebot sorgfältig präsentiert (nicht aufgedrängt), erschwinglich, nicht aggressiv und nicht invasiv ist, könnten sie es wählen. Dieses Segment verhält sich nachhaltig, wenn es bequem und erschwinglich ist. Diese Touristen sind nicht die ideale Zielgruppe für Nachhaltigkeitsangebote.
„Nachhaltigkeit bedeutet bei Einheimischen zu kaufen, den Einheimischen etwas zurückzugeben, meine Bettwäsche oder Handtücher bis zum Ende meines Aufenthalts nicht zu wechseln und die Einrichtungen des Reiseziels nicht übermässig zu nutzen.“
3. Nicht-grüne Touristen auf der Suche nach preiswerten Angeboten
Grösse: 15% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit ist teuer. Ich kann sie mir nicht leisten.“
Durchschnittliches Alter: 45 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: eher aus Deutschland, eher aus Frankreich.
Diese Touristen glauben, dass Nachhaltigkeit teuer ist, daher mögen sie das Thema nicht besonders und halten sich davon fern, da sie es mit zu viel Geld für etwas assoziieren. Diese Touristen sind keine ideale Zielgruppe für Nachhaltigkeitsangebote.
4. Imageorientierte grüne Touristen
Grösse: 13% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Ich bin bereits ein nachhaltiger Mensch und muss mir Nachhaltigkeit nicht ‚kaufen’“
Durchschnittliches Alter: 36 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Diese Touristen sind der Meinung, dass sie bereits nachhaltig sind, da sie viel Zeit im Freien mit Wandern, Gleitschirmfliegen und Yoga oder Pilates verbringen. Da sie sich bereits als nachhaltig betrachten, werden sie nicht mehr Geld ausgeben, um sich zusätzliche Nachhaltigkeit zu „erkaufen“. Diese Touristen sind keine ideale Zielgruppe für Nachhaltigkeitsangebote.
„Nachhaltigkeit bedeutet umweltfreundlichere Flüge, um den Kohlenstoff-Fussabdruck zu verringern usw.; mit geringen Kohlenstoffemissionen“
5. Delegierende grüne Touristen
Grösse: 11% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit bedeutet, dass ich meine bisherigen Reisegewohnheiten auf umweltfreundlichere Optionen umstelle.“
Durchschnittliches Alter: 40 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: eher aus Deutschland und den USA. Weniger wahrscheinlich kommen sie aus der Schweiz.
Diese Touristen verbessern ihre bestehenden Reisepraktiken, um sie nachhaltiger zu gestalten. Sie achten zum Beispiel auf nachhaltige Labels und Zertifizierungen, kaufen CO2-Kompensationsoptionen usw., um ihre Reisen nachhaltiger zu gestalten. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für Akteure, die alle Arten von nachweislich nachhaltigen Angeboten vermarkten.
„Nachhaltigkeit bedeutet, Produkte zu verwenden, die gut für die Umwelt sind. Es bedeutet, grün zu werden und den eigenen Kohlenstoff-Fussabdruck zu verringern, während man die Welt bereist.„
6. Grün-Enthusiasten
Grösse: 10% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit ist eine Lebenseinstellung“.
Durchschnittliches Alter: 37 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: kommen eher aus Deutschland.
Diese Touristen sehen Nachhaltigkeit als ihren Leitstern, ihre Lebensweise. Alles, was sie tun, ist nachhaltig. Für sie ist Nachhaltigkeit über die herkömmlichen Ziele wie „Klimaschutz“ oder „Abfallvermeidung“ hinausgegangen. Nachhaltigkeit ist für sie zu einem Ziel an sich geworden, das sie als ihren Lebensstil betrachten. Diese Touristen sind eine Hauptzielgruppe für alle Akteure, die nachhaltige Angebote aller Art vermarkten.
„Nachhaltigkeit. bedeutet für mich, dass Reisen und touristische Aktivitäten so gestaltet sind, dass sie langfristig positive Auswirkungen auf die Umwelt, die soziale Gemeinschaft und die wirtschaftliche Entwicklung haben.“
7. Nicht-grüne Skeptiker
Grösse: 6% der Touristen in der Schweiz
Interpretation von Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit ist ein Schwindel“.
Durchschnittliches Alter: 46 Jahre
Über-/unterrepräsentierte Herkunft: alle in der Umfrage berücksichtigten Länder.
Diese Touristen lehnen Nachhaltigkeit ab. Sie halten sie für einen Scherz und ein Symptom dafür, dass sich die Welt in die „falsche“ Richtung bewegt. Diese Touristen werden von den Akteuren des Gastgewerbes, die nachhaltige Optionen anbieten, abgeschreckt. Diese Touristen sind keine ideale Zielgruppe für Nachhaltigkeitsangebote.
Sie wollen Ihre Zielgruppenstrategie gemeinsam mit den Erkenntnissen aus dieser Studie überarbeiten? Im Intranet finden unsere Mitglieder eine hilfreiche Vorlage zur Zielgruppendefinierung.
Sie möchten die Nachhaltigkeitsaffinen Gäste optimal ansprechen? Das Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit (KONA) des STV bietet in ihrer Kommunikationstoolbox hilfreiche Tipps und Tricks, wie das nachhaltige Engagement wirkungsvoll Sichtbarkeit erhält.
Quelle: EHL Studie vom 28.08.2024: The 7 segments of sustainable tourists in Switzerland